Page 10 - Geschichte der Deutschen in Ungarn
P. 10
1 Deutsche im mittelalterlichen Ungarn
Stephans Ermahnungen an Die mittelalterliche
seinen Sohn Emmerich Ansiedlung von Deutschen
Ungarn als Gastland
Die Maximen seiner Politik fasste Stephan um 1031
zusammen. In diesem Fürstenspiegel ermahnt er Ungarn wurde als Ziel der im Hochmittelalter in
seinen Sohn Emmerich RT3, A5 Hier verbindet West- und Mitteleuropa einsetzenden West-Ost-
sich die christliche Auffassung von den Pflichten Wanderung adeliger und bäuerlicher Kolonisten
eines gerechten Königs mit Vorstellungen von der entdeckt. Denn der Landesausbau und der damit
Heiligkeit des Gastrechtes, wie sie in den Kulturen einher gehende Bevölkerungszuwachs im westlichen
der Reiternomaden aus dem Orient weit verbreitet Europa führten dazu, dass deutsche Bauern, Adelige,
und auch bei den Ungarn des 11. Jahrhunderts noch Handwerker, Bergleute und Kaufleute Richtung
lebendig waren. östliches Europa, in dünner besiedelte Gebiete
auswanderten. Denn in Ungarn stand Kolonisationsland
Diese Auffassung findet man auch in der Goldenen reichlich zur Verfügung und dem König und seinem
Bulle Königs Andreas II. (1205-1235) aus 1222 wieder, Gefolge war klar: Politische Macht und wirtschaftlicher
dass nämlich „[…] Gäste jedwelcher Herkunft in der ihnen Reichtum hingen nicht vom Besitz schierer Bodenfläche
von Anfang an [bei ihrer Ansiedlung] gewährten Freiheit zu ab, sondern von der Verfügung über Arbeitskräfte,
erhalten sind“. um den Boden zu bewirtschaften. Aus diesem Grund
intensivierten die Árpáden-Könige im Verlauf des 12.
Die Überzeugung Stephans I., die Einwanderung Jahrhunderts ihre Kolonisationstätigkeit. R A 8
ganz unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in Ungarn
als Bereicherung und Stärkung des Landes anzusehen, Die 2 Perioden in der
begründete eine 800 Jahre lang währende Tradition der Siedlungspolitik der Árpáden
Aufnahmebereitschaft und des friedlichen Umgangs
mit den Gästen, die nach einiger Zeit sich ganz In der Kolonisation des ungarischen Königreichs
selbstverständlich als Bürger des Landes integrieren sind 2 Perioden zu unterscheiden. Die Zäsur ist der
konnten. Mongolensturm von 1241. In der ersten Periode
erfolgte die Ansiedlung von Deutschen ausschließlich
Das veränderte Ungarnbild auf den königlichen Gütern, zum Teil in großen, mehr
oder weniger geschlossenen Einheiten. Unter der
Während der Zeit der ersten beiden Kreuzzüge Herrschaft Königs Géza II. (1141-1162) R B5 setzte
(1096-1099 und 1147-1149) wurde Ungarn in Europa in größerem Umfang die Ansiedlung deutschsprachiger
bekannt. Viele Ritter zogen durch das Land über die Einwanderer ein. So entstanden 2 bedeutende deutsche
Balkanhalbinsel und Kleinasien ins Heilige Land. Siedlungsgebiete: der Siebenbürger Königsboden
Darunter waren auch der Chronist Bischof Otto von (Sachsenboden) auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens
Freising, der maurische Reisende Abu Hamid und und die Zips auf dem Gebiet der heutigen Slowakei.
der arabische Geograph Idrisi, die alle Ungarn als ein Der Name Sachsen wurde als Sammelbezeichnung für
fruchtbares Land, als „Paradies Gottes“ beschrieben die deutschen Kolonisten verwendet, die vor allem aus
und rühmten seinen Reichtum an Bodenschätzen. R dem Rheinland, aus Moselfranken, aus Flandern und
T 4, A 6 Luxemburg, aus Thüringen und aus Niedersachsen nach
Ungarn kamen. R A9
Das karitative Wirken der 1235 heiliggesprochenen
Elisabeth RB 4 als Gattin des Landgrafen Ludwig In der zweiten Periode, die bis zur Mitte des 14.
von Thüringen, einer Tochter des ungarischen Königs Jahrhunderts andauerte, beriefen auch die weltlichen
Andreas II. trug gleichfalls zur Festigung des guten und geistlichen Barone des Landes Kolonisten auf ihre
Rufs der Ungarn dauerhaft bei. Denn Elisabeth gehörte privaten Grundherrschaften. Ihre Dörfer lagen verstreut
zu den populärsten Heiligengestalten des Mittelalters. zwischen Dörfern anderer Bevölkerungsgruppen,
So veränderte sich das alte, aus der Zeit der Streifzüge dadurch war die Bildung geschlossener Siedlungsblöcke
stammende negative Ungarnbild dauerhaft in ein ausgeschlossen. R A 10
positives. R A 7
8
Stephans Ermahnungen an Die mittelalterliche
seinen Sohn Emmerich Ansiedlung von Deutschen
Ungarn als Gastland
Die Maximen seiner Politik fasste Stephan um 1031
zusammen. In diesem Fürstenspiegel ermahnt er Ungarn wurde als Ziel der im Hochmittelalter in
seinen Sohn Emmerich RT3, A5 Hier verbindet West- und Mitteleuropa einsetzenden West-Ost-
sich die christliche Auffassung von den Pflichten Wanderung adeliger und bäuerlicher Kolonisten
eines gerechten Königs mit Vorstellungen von der entdeckt. Denn der Landesausbau und der damit
Heiligkeit des Gastrechtes, wie sie in den Kulturen einher gehende Bevölkerungszuwachs im westlichen
der Reiternomaden aus dem Orient weit verbreitet Europa führten dazu, dass deutsche Bauern, Adelige,
und auch bei den Ungarn des 11. Jahrhunderts noch Handwerker, Bergleute und Kaufleute Richtung
lebendig waren. östliches Europa, in dünner besiedelte Gebiete
auswanderten. Denn in Ungarn stand Kolonisationsland
Diese Auffassung findet man auch in der Goldenen reichlich zur Verfügung und dem König und seinem
Bulle Königs Andreas II. (1205-1235) aus 1222 wieder, Gefolge war klar: Politische Macht und wirtschaftlicher
dass nämlich „[…] Gäste jedwelcher Herkunft in der ihnen Reichtum hingen nicht vom Besitz schierer Bodenfläche
von Anfang an [bei ihrer Ansiedlung] gewährten Freiheit zu ab, sondern von der Verfügung über Arbeitskräfte,
erhalten sind“. um den Boden zu bewirtschaften. Aus diesem Grund
intensivierten die Árpáden-Könige im Verlauf des 12.
Die Überzeugung Stephans I., die Einwanderung Jahrhunderts ihre Kolonisationstätigkeit. R A 8
ganz unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in Ungarn
als Bereicherung und Stärkung des Landes anzusehen, Die 2 Perioden in der
begründete eine 800 Jahre lang währende Tradition der Siedlungspolitik der Árpáden
Aufnahmebereitschaft und des friedlichen Umgangs
mit den Gästen, die nach einiger Zeit sich ganz In der Kolonisation des ungarischen Königreichs
selbstverständlich als Bürger des Landes integrieren sind 2 Perioden zu unterscheiden. Die Zäsur ist der
konnten. Mongolensturm von 1241. In der ersten Periode
erfolgte die Ansiedlung von Deutschen ausschließlich
Das veränderte Ungarnbild auf den königlichen Gütern, zum Teil in großen, mehr
oder weniger geschlossenen Einheiten. Unter der
Während der Zeit der ersten beiden Kreuzzüge Herrschaft Königs Géza II. (1141-1162) R B5 setzte
(1096-1099 und 1147-1149) wurde Ungarn in Europa in größerem Umfang die Ansiedlung deutschsprachiger
bekannt. Viele Ritter zogen durch das Land über die Einwanderer ein. So entstanden 2 bedeutende deutsche
Balkanhalbinsel und Kleinasien ins Heilige Land. Siedlungsgebiete: der Siebenbürger Königsboden
Darunter waren auch der Chronist Bischof Otto von (Sachsenboden) auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens
Freising, der maurische Reisende Abu Hamid und und die Zips auf dem Gebiet der heutigen Slowakei.
der arabische Geograph Idrisi, die alle Ungarn als ein Der Name Sachsen wurde als Sammelbezeichnung für
fruchtbares Land, als „Paradies Gottes“ beschrieben die deutschen Kolonisten verwendet, die vor allem aus
und rühmten seinen Reichtum an Bodenschätzen. R dem Rheinland, aus Moselfranken, aus Flandern und
T 4, A 6 Luxemburg, aus Thüringen und aus Niedersachsen nach
Ungarn kamen. R A9
Das karitative Wirken der 1235 heiliggesprochenen
Elisabeth RB 4 als Gattin des Landgrafen Ludwig In der zweiten Periode, die bis zur Mitte des 14.
von Thüringen, einer Tochter des ungarischen Königs Jahrhunderts andauerte, beriefen auch die weltlichen
Andreas II. trug gleichfalls zur Festigung des guten und geistlichen Barone des Landes Kolonisten auf ihre
Rufs der Ungarn dauerhaft bei. Denn Elisabeth gehörte privaten Grundherrschaften. Ihre Dörfer lagen verstreut
zu den populärsten Heiligengestalten des Mittelalters. zwischen Dörfern anderer Bevölkerungsgruppen,
So veränderte sich das alte, aus der Zeit der Streifzüge dadurch war die Bildung geschlossener Siedlungsblöcke
stammende negative Ungarnbild dauerhaft in ein ausgeschlossen. R A 10
positives. R A 7
8
