Page 12 - Geschichte der Deutschen in Ungarn
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1 Deutsche im mittelalterlichen Ungarn

Die deutsche Besiedlung B6
Siebenbürgens
Andreas II. (1205–1235) (Chronik von Johannes Thurocz)
Das Ziel der Besiedlung von Ödland war, das
Königreich gegen Einfälle aus dem Osten zu sichern. über sie zu sichern. Dieser Freiheitsbrief beschrieb
Die deutschen Kolonisten kamen entweder Donau das damalige Siedlungsgebiet der Sachsen. Es reichte
abwärts oder über Schlesien und Oberungarn, über die von Broos bis Drass und umfasste die sieben Stühle
Theiß und das Tiefland nach Siebenbürgen. R A 11 der Hermannstädter Provinz. Die Siebenbürger
Mit dem jeweiligen Anführer der Siedlergruppe wurde Sachsen bekamen mehrere Rechte, eine territorial
die Gemarkung der künftigen Ortschaft abgesteckt, definierte Einheit, die Hermannstädter Provinz zu
die Parzellierung der Gehöfte vorgenommen und den bilden und diese unter eigene Verwaltung unter einem
einzelnen Siedlerfamilien zugewiesen. Diese rodeten die Grafen zu stellen, mit selbst gewählten Richtern
Wälder, bauten Getreide an, züchteten Vieh, errichteten und eigener Gerichtsbarkeit nach sächsischem
ihre Wohngebäude und schließlich die Dorfkirche im Gewohnheitsrecht. Der König garantierte ihnen auch
Stil der Romanik, später auch der Gotik. R A 12 die Unveräußerlichkeit des ihnen verliehenen Grund
und Bodens. Die Siebenbürger Sachsen durften auch
In dieser ersten Phase bis Ende des 12. Jahrhunderts ihre Pfarrer selbst wählen und an diese den Zehnten
kamen nicht mehr als ca. 2.500 Personen nach abführen, demnach eine eigenkirchliche Gemeinschaft
Siebenbürgen. Die Anführer der Siedlergruppen, aufbauen. Es war ihre Pflicht, dem König 500
die Lokatoren, auch Gräfen genannt, erhielten das Bewaffneten zur Verteidigung des Landes zu stellen.
erbliche Schulzenrecht und stellten dadurch die Ihre Abgaben an ihn waren genau geregelt und
Führungsschicht der Kolonisten. In Siebenbürgen konnten von keiner Seite willkürlich verändert werden.
entstanden als erste Siedlungen: Hermannstadt, Das von den Sachsen autonom verwaltete Gebiet
Hammersdorf, Neppendorf, Großau, Heltau, wurde als Königsboden bezeichnet, in dem auf lange
Hetzelsdorf. Diese wurden schon 1186 in einem Zeit keine anderen Bevölkerungsgruppen Fuß fassen
Brief von König Béla III. erwähnt. R A13 durften. Wirtschaftlich gesehen erhielten sie zudem
auch Zollfreiheit, das Marktrecht und das Schürfrecht
Einen neuen Höhepunkt der Ansiedlung stellte für den von ihnen betriebenen Bergbau.
die Berufung des Deutschen Ritterordens in das
sogenannte Burzenland, im südöstlichen Teil
Siebenbürgens dar. 1211 siedelte König Andreas II.
den aus dem Heiligen Land vertriebenen Deutschen
Ritterorden im südöstlichen Teil Siebenbürgens an.
Ihr Anführer war Hermann von Salza aus Thüringen.
Die Ritter bauten stark befestigte Grenzburgen riefen
deutsche Kolonisten ins Land, gründeten die Stadt
Kronstadt und dehnten ihre Macht auf Gebiete
der Walachei und Kumaniens jenseits der Karpaten
aus. Da sie sich jedoch auch königlichen Besitz
einverleibten und ihr Herrschaftsgebiet von Ungarn
unabhängig machen wollten, noch dazu auf die
Unterstützung des Papstes zählen konnten, vertrieb
sie der König 1225. Die Ritter zogen daraufhin an die
Ostsee und begründeten dort den Staat des Deutschen
Ritterordens im Baltikum. R A14

Die Privilegien der
Siebenbürger Sachsen

In dieser unruhigen Zeit sicherte König Andreas
II. R B6 1224 in seinem „Goldenen Freibrief“,
Andreanum R T5, A15, den Siebenbürger
Sachsen weitgehende Rechte zu, um seine durch den
Deutschen Ritterorden in Frage gestellte Herrschaft

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